Der Dickkopf und das Peterlein ( 8 )
Zwei todesmutige Männer stürzten nach der einzigen noch
zugänglichen Tür, aber als sie sie aufgestoßen hatten, trieb
sie die Gewalt des Qualms zurück.
"Es darf kein Mensch hinein," rief der befehlende Beamte. Rettung ist
unmöglich. Kein weiteres Leben darf gefährdet werden!"
Da schob sich eine dicke Gestalt durch die Menge. Wer nicht auswich, wurde
sanft, aber nachdrücklich auf die Seite gestellt. Gerade auf die Treppe
steuerte sie zu, den dicken Kopf vorausgestreckt gleich einem Sturmbock und mit
den Armen segelnd, gerade so, wie sie durch die Hauptstraße zu schnauben
pflegte.
"Haltet ihn zurück!"
Aber der Dickkopf schleuderte den Schutzmann, der ihm den Weg abgelaufen hatte,
die Treppe hinunter, und ging wie einer, der's eilig hat, durch die
glührote Luft auf die qualmende Pforte zu - und zur Pforte hinein.
"Peterlein!"
"Dickkopf!"
Und er hielt den Knaben in den Armen, hob ihn an die Brust, das Kind schlang
die Arme um seinen Hals und barg das Gesicht an seiner Schulter. Der Rauch
wirbelte heran, den Mann zu erwürgen. Aber das Herz, das an seinem Herzen
klopfte, gab ihm Kraft. Er raffte sich auf und schritt mit seiner Last
über die heißen Balken an den düster glühenden Wänden
hin durch die qualmende Nacht. Ein Funkengesprüh schnitt ihm den
Rückweg ab. so wankte er dem Winkel zu, wo eine an die Mauer geschmiedete
Leiter in die Häutekammer hinabführte.
Draußen hörte man nichts als das Knarren der Spritzen und halblaute
Kommandoworte. Sekunde um Sekunde verging. Alle Augen schauten nach der Pforte
durch die der Dickkopf verschwunden war; es qualmte und qualmte aus ihr, und
jetzt schlug die erste schlanke Lohe heraus.
"Sie sind verloren", sagte der Oberbürgermeister zum
Polizeiamtmann.
Da rief die Kinderstimme von vorhin: "Dort steht er!" "Wo?
Wo?"
"Dort unten, hinter dem vergitterten Fenster."
"Wasser! Wasser!" schrie eine heiseren Stimme aus dem Haufen.
"Zielt über das Fenster, der Strahl wirft ihn sonst um!"
"Er hat das Kind im Arm! Das Fenster ist vergittert! Eine Eisenstange her!
Sie können nicht heraus! Stoßt den Krems hinein! Um Gottes willen,
schnell!"
Dann wurde es wieder still auf dem weiten Platz. Und jetzt hörte man die
dumpfen Stöße, die Rettung bringen sollten. Aber nach dem dritten
warf der Grobschmied heulend das Rammeisen weg, das noch eine Weile in der
Lache auf dem Boden rauchte.
"Mehr Wasser! Sonst kann kein Mensch arbeiten!" Ein zweiter war
herangesprungen und schwang einen triefenden Balken und stieß ihn gegen
das Gitter. Aber obgleich ihn der Sprühregen überschüttete, der
von der Mauer zurückprallte, jagte ihn die fürchterliche Hitze weg.
Der Krems hielt noch. Ein dritter von den todesverachteten Männern sprang
herzu über den brennenden Balken hinweg und holte aus zum Stoß.
"Halt!" rief eine helle Stimme. "Nicht stoßen!"
Der Mann warf das Eisen weg und sprang dich an das Fenster. Da sah man, wie der
Dickkopf mit seinen aufflammenden Händen das Gitter aus den Steinen riss.
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Adolf Schmitthenner 1854 - 1907
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