Die Geschichte vom Christkind und Nikolaus ( 4 )
Und wenn wir brav sind,
bringt er uns zu Weihnacht einen Zuckerbaum und viele schöne Sachen!"
"Wenn ich nur das Eselchen gesehen hätte", sagte der kleine
Peter.
"Weißt Du, Peterchen, war wir tun", rief Karl, wir legen morgen
Abend dem Grauchen ein Bündelchen Heu vor die Türe, zum Dank, weil
wir so gute Sachen bekommen haben."
"Und das Heu stecken wir in unsere Schuhe", setzte Gretchen hinzu,
"damit der Wind es nicht fortjagt."
So wurde es wirklich gemacht; die dankbaren Kinder steckten am andern Abend Heu
in ihre kleinen Schuhe und stellte sie vor die Türe. In der Nacht kamen
richtig wieder der Nikolaus, das Christkind und der Esel, der schon von Weitem
das gute Heu witterte. Er blieb stehen, fraß es und der Nikolaus, den
nichts so sehr freut, als wenn man seinen Esel gut behandelt, steckte einen
großen, roten Apfel in jeden Schuh; dann zogen sie weiter. Als aber nun
am Montag Morgen die Lisbeth die Schuhe für die Müllerkinder herein
holte, lag statt des Heues in jedem ein schöner Apfel. Das hatten sie
nicht erwartet und waren ganz toll vor Freude. Als sie in die Schule kamen,
hatten sie gar nichts Eiligeres zu tun, als die große Neuigkeit allen
Kindern zu erzählen. Die liefen nach Hause, stellten auch ihre Schuhe vor
die Türe, steckten auch Heu hinein und fanden am andern Morgen statt
dessen einen dicken roten Apfel. Bald wussten alle Kinder im ganzen Lande die
Geschichte von dem Esel und dem Heu, und das Grauchen bekommt so viel zu
fressen, dass es immer noch lebt, obgleich es schon seit vielen hundert Jahren
mit dem Nikolaus und dem Christkind in der Welt herum zieht. So ein Apfel, der
des Nachts in den Schuh gesteckt wird, schmeckt aber auch zehnmal
süßer, als der beste Zehnuhrapfel der Mama.
So reiten denn die Drei jedes Jahr von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, von
Haus zu Haus, sehen durch die Fenster, wo die guten und die schlimmen Kinder
sind, bringen Zuckerwerk oder Ruten, wie es eben passt, bis endlich
Weihnachten, des lieben Christkindleins Geburtstag kommt. Da wird es am
allerschönsten!
Wenn es dann Abend geworden und die große Glocke auf dem Kirchturm
fünfmal: bum, bum, bum, bum, bum! geschlagen hat, wird es in allen
Häusern so helle, wie damals droben auf der Böllsteinerhöhe, als
der Klapperstorch das liebe Kindlein zur Frau Holle brachte, und es jauchzt und
jubiliert in den Stuben, gerade so laut, wie es damals die Engelein machten. -
Jetzt ist Christkindleins heimliches Werk zu Ende und Alles wird offenbar, was
es mit den Eltern zu tuscheln und abzumachen hatte. Da prangt für die
guten Kinder der bunte Christbaum und stehen die prächtigen Spielsachen
umher und sie nehmen sich fest vor im folgenden Jahre noch lieber und artiger
und dadurch dem guten Christkindchen ihren Dank zu beweisen. -
Nikolaus und Christkindchen sind aber jetzt gar müde und matt.
Während die Freude und das Glück, das sie gebracht, in allen
Häusern lebendig sind, ziehen sie still hinauf auf ihren Böllstein,
stecken sich in ihre warmen Betten und schlafen sich darin aus, bis es wieder
Zeit wird, an die neue Weihnacht zu denken. - In dieser Weise geht es nun schon
viele, viele, viele, Jahre lang; der Nikolaus hat unterdessen einen langen,
weißen Bart und schneeweiße Haare bekommen und er ist noch
mürrischer als zuvor, denn die Weihnachtsarbeit wird ihm manchmal recht
sauer.
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Luise Büchner 1821 - 1877
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