Die Geschichte vom Christkind und Nikolaus ( 3 )
Wie nun aber die Beiden den Berg hinunter waren, hielt der Nikolaus den Esel an
und fragte: Liebes Christkindchen, ehe wir weiterziehen, möchte ich zuerst
nach den Kindern in der Mühle sehen, die waren immer lieb und brav und
pflegten mein Eselchen, wenn ich es einmal im Stall allein lassen musste."
"Das ist mir ja schon recht, lieber Nikolaus", antwortete das
Christkind und so ritten sie dann ganz stille bis an die Mühle und sahen
durch das Fenster hinein in die Stube. Das war sehr leicht, denn die
Müllerin war eine brave Frau und die Scheiben immer blank geputzt. Auch
die Lampe brannte schön hell und um sie herum, an dem blanken Tisch
saßen das Gretchen der Karl und der Peter. An ihrem Ansehen konnte man
gleich merken, dass es brave Kinder waren, denn sie trieben keine Unarten,
sondern Jedes war mit einer Arbeit beschäftigt. Das Gretchen half der
Mutter Äpfel schälen, weil am nächsten Tag Sonntag war und die
Müllerin den Kindern versprochen hatte, ihnen einen großen
Apfelkuchen zu backen. Der Karl saß über einem Buch, hielt sich
beide Ohren zu und murmelte immer vor sich hin, dabei war er ganz hochrot im
Gesicht von der Anstrengung. Er hatte für den Herrn Schulmeister ein Lied
den Sonntag über auswendig zu lernen und hatte sich gleich am Samstag
Abend darüber gesetzt, wie dies die fleißigen Kinder tun. Der kleine
Peter malte ruhig auf seine Schiefertafel Hunde und Katzen und wenn diese auch
eher Mehlsäcken und Brotleiben glichen, so lag ja nichts daran.
Wer da draußen vor dem Fenster stand und ihnen zusah, das wussten die
Kinder freilich nicht und sollten sie auch nicht wissen. Leise, leise griff
Christkindchen in den Korb mit den Zuckersachen und legte für jedes Kind
ein großes Stück auf das Fenstersims. Eine Rute dazulegen, das war
bei so lieben Kindern ganz überflüssig.
Wer aber den Nikolaus und das Christkindchen beinahe verraten hätte, das
war das Grauchen. Er kannte die Mühle und die Kinder gar wohl und freute
sich, sie zu sehen. So reckte er dann die langen Ohren in die Höhe,
bewegte den Kopf wie zum Gruß, so dass die silbernen Glöckchen an
dem roten Zaum hell erklangen und reif ein freudiges "I -ah!" Wie
flogen da die drei blonden Köpfe in der Stube von der Arbeit empor und wie
neugierig starrten die blauen Augen nach den angelaufenen Fensterscheiben.
"Mutter, das war unser Grauchen, dem Nikolaus sein Grauchen!" rief
Karl, stürzte an das Fenster und die Andern hinter ihm drein. Aber, sie
kamen viel zu spät, husch, husch! Waren der Nikolaus, das Christkindchen
und der Esel wieder in Nacht und Nebel verschwunden, nur ganz von ferne
hörte man noch die silbernen Schellchen klingen. Ganz betrübt sahen
die Kinder einander an, da sagte die Müllerin: "Aber da draußen
vor dem Fenster steht etwas, seht nur, ein Reitersmann von Marzipan, eine
Wickelpuppe von Anisgebackenem und ein großer Herzlebkuchen!" Die
Müllerin machte das Fenster auf, holte die Zuckersachen herein und nun
wollte die Freude und der Jubel gar kein Ende nehmen.
"Seht Ihr, dass ich Recht hatte", sagte Karl, "da ist wirklich
der Nikolaus mit seinem Eselchen und dem Christkindchen draußen
gewesen."
"Was sprichst du da von einem Christkind?" fragte die Mutter.
"Ja, so ist es", rief Gretchen, "der Nikolaus ist jetzt mit
seinem Esel droben auf dem Böllstein bei der guten Frau Holle und dem
lieben Christkind, das hat er uns Alles erzählt.
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Luise Büchner 1821 - 1877
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