Der Baum im Künstlerheim ist fertiggeschmückt. Die Lichter am Baum
werden angezündet, der Hausherr öffnet den Flügel - wir singen
Weihnachtslieder. Voll und reich klingen die herrlichen Stimmen der beiden
Sänger durch den Raum. Der junge Künstler nimmt die Bibel und
schlägt das Weihnachtsevangelium auf. Er liest mit tiefbewegter Stimme die
Weihnachtsgeschichte. Neben dem Flügel steht der Kinderwagen, drin
schlummert fest und süß das Kleine. Da tritt die junge Mutter an den
Wagen und nimmt das schlummernde Kind in ihre Arme. Sie steht vor dem
Weihnachtsbaum und hält es mit hocherhobenen Armen in den Strahl der
Weihnachtskerzen. Da erwacht das Kleine und blickt mit hellen Augen in die
Weihnachtslichter. Es ist ganz still; plötzlich hebt es seine
Händchen, greift nach den hellen Flammen und lacht. Der Vater liest die
Weihnachtsgeschichte zu Ende: "Und die Klarheit des Herrn umleuchtet
sie."
Ist es nicht wie unsichtbares Flügelrauschen, das durch den Raum weht -
ist es nicht wie ein heiliges Licht, das aus dem Antlitz der jungen Mutter
strahlt?
Ich sah sie oft auf dem Konzertpodium, strahlend schön, umrauscht vom
Beifall der Menge, erfüllt, begeistert und getragen von ihrer
künstlerischen Aufgabe. Nie aber sah ich dieses Licht in ihren Augen, nie
sah ich diese stille Klarheit in ihren Zügen wie eben, da sie ihr kleines
Kind in hocherhobenen Armen, wie ein Opfer, in das Licht der Weihnachtskerzen
hielt.
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